Schrott - Stahl - Edelstahl

Besuch bei der Dt. Edelstahlwerke GmbH, Witten

Pünktlich an der Eingangsschranke wurden wir, wie auf einem Flughafen, von einem vorausfahrenden Fahrzeug zur Werksverwaltung geleitet.

Schon auf der mehrminütigen Fahrt dorthin - vorbei an riesigen Schrotthalden mit unermüdlichen Magnetkränen und Werkshallen mit enormen Ausmaßen, durch deren offene Tore wir schon einen kurzen Blick auf beeindruckende, teilweise funkensprühende Anlagen werfen konnten - erhielten wir bereits einen ersten Eindruck von der Größe dieser für Laien imponierenden Gesamtanlage.
Überhaupt sollten uns solche Attribute wie "beachtlich", "beeindruckend", "einmalig" etc. zum ständigen Begleiter für den rund 2 1/2 stündigen Rundgang werden. Doch zuvor - bei einer flüssigen Stärkung - klärten uns ein Film und der Leiter Technische Kundenberatung, Dr. Till Schneiders, über die Firmengeschichte und Firmenstruktur sowie die riesige Angebotspalette von Edelstählen auf, wobei diese zu unserem großen Erstaunen fast ausschließlich aus eingeschmolzenem Schrott und bedarfsgerechter Dosierung von Zusatzstoffen als Edelstähle weiterverarbeitet werden.
Ca. 4000 Mitarbeiter an den Standorten Witten, Krefeld, Siegen, Hagen und Hattingen erzeugen und verarbeiten jährlich ca. 1 Mio. t Edelstahllangprodukte und sind damit Weltmarktführer. Die Produktpalette der Werkzeugstähle, der rost-, säure- und hitzebeständigen und der Edelbau- und Wälzlagerstähle findet z.B. Anwendung im Getriebebau, bei Windkraft, Automobilen, Kugellager, Luftfahrt, Chirurgie, (z.B. Instrumente) bei schussfesten Blechen, der Bohrindustrie, Offshore etc. Schwergewicht des Produktionsumfanges ist der Maschinenbau mit knapp 50 %.
Vollgestopft mit diesem und noch mehr Wissen ging es dann zur Ankleide: mit Sicherheitshelm, Brille und Mantel ausstaffiert sahen viele von uns plötzlich ganz anders aus .... In 2 Gruppen aufgeteilt, marschierten wir los und sahen u.a. unter gewaltigem Krach und Funkensprühen das Verfüllen eines Elektrolichtbogenofens (Schmelze von 3000° C ); die Hitze, die beim Öffnen des Deckels entstand, konnte nur in einem abgeschotteten Führungsstand ausgehalten werden. Trotzdem war die gesamte Tour recht schweißtreibend. So auch der Senkrechtstrangguss(einmalig auf der Welt). Hierbei wird der erschmolzene Stahl vertikal zum Strang gegossen und während der Erkaltung auf die gewünschte Länge "geschnitten".
Die Güte des Stahls wird von der weiteren Behandlung und Legierung bestimmt. Stähle mit sehr geringen Kohlenstoffgehalten sowie Legierungsbestandteile in einer feineren Dosierung machen den Einsatzbereich variabler. Man denke nur an die Elastizität einer Reckstange. Um also den Reinheitsgrad und die Homogenität zu erhöhen, erfolgt ein erneutes Schmelzen im Umschmelzstahlwerk. Beeindruckend - wenn auch wieder sehr heiß - der Schmiedebetrieb: mittels hydraulischer Langschmiedemaschinen - ebenfalls nur hier anzutreffen- werden die noch rot glühenden Blöcke auf die gewünschten Maße gebracht.
Im Anschluss an diese hochinteressanten Szenarien gab es dann in der "Kantine" eine willkommene Stärkung und viel Ersatz für die vergossenen Schweißtropfen. In einer Frage- und Antwortperiode kamen auch der Konkurrenzdruck auf dem Weltmarkt sowie die Höhe der Herstellungskosten zur Sprache. Da es sich hier um ein „Elektrostahlwerk“ handelt, ist der Verbrauch an Strom ähnlich hoch wie der einer etwa 100.000 Einwohner zählenden Stadt. Zudem benötigen die Anlagen wegen der hohen Qualitätsansprüche einen hohen Wartungsgrad. Zwar machen u.a. Chrom und Nickel den Stahl rostfrei, sind aber andererseits sehr teuer. Zudem sei die Kostenstruktur für deutsche Stahlwerke am höchsten, da die Energiekosten in Asien und in den USA um 30 – 50 % niedriger sind. Die Konkurrenzfähigkeit deutscher Produkte könne daher nur durch Qualitätsvorsprung erhalten werden.
Dass dieser Tag so interessant, lehrreich und "gefühlt anschaulich" ablief, dafür möchten sich alle Mitreisenden bei den Herrn der Deutschen Edelstahlwerke herzlich bedanken; eingeschlossen natürlich auch Klaus-Peter Treche, der diese Fahrt erst möglich machte und mit seinen zusätzlichen Erläuterungen zum Verständnis einzelner Abläufe beitrug.

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Das Foto zeigt die Besuchergruppe in Schutzbekleidung vor der Besichtigung (unverdreckt und noch nicht „schweißgetränkt“)


(Text und Foto: Pattberg)